"Opus 88 - Finale -allegro ma non troppo"

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augsburger-allgemeine.de


17.12.2007


Verschmitzt, doch nicht allzu heiter steuert Wolfgang Lettl ins Finale

Der surrealistische Maler schafft noch mit 88 Jahren eine Reihe neuer Bilder

Von Alois Knoller

Finale. Traurig klingt der Titel der neuen Ausstellung des Augsburger surrealistischen Malers Wolfgang Lettl, der morgen 88 Jahre alt wird. „Viel Kraft bleibt meinem Vater nicht mehr und ich denke, wir sollten ihm jetzt offiziell erlauben, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen", sagte sein Sohn Florian unter Tränen bei der Vernissage am Freitagabend in der Industrie- und Handelskammer. Der Maler blieb der Gesundheit wegen zu Hause. Doch heiter soll der Abschied sein, wenn auch nicht zu sehr - allegro ma non troppo gibt der Künstler selber vor.

Die Koordinaten geraten beim Endspiel durcheinander

Verschmitzt malt Lettl noch immer, sieht sich als „Grenzgänger" hin zum großen Ziel. Dieser kann Wände durchschreiten - und seien es Paravents auf einem offenen Platz. Manche Mühe macht man sich eben, ohne dass es nötig wäre. Die beiden rotbraun-getigerten Katzen sind wahrscheinlich klüger in ihrer edlen Beobachterposition.

Die Lebensmelodie spielt ein Esel auf einem Mühlstein, der gegen die Natur fliegen kann, während der geflügelte Engel merkwürdig plump abstürzt. Die Koordinaten geraten durch- einander beim Endspiel, das nur endlose Weite und Tiefe um sich herum hat, doch keinen vertrauten Ort mehr.

Hat Wolfgang Lettl gedanklich schon abgehoben wie der rote Himmelsflieger mit Brille und Schnurrbart - sein Alter Ego „Siegmund" -, der lässig aufsteigt und die blaue Schablone unter sich auf dem Boden lässt? Oder läuft er unterm Diktat der Zeit auf den Wellenbrecher zu, der sich dem Mann wie eine „Barriere" entgegenstellt? Eine Wolke weißer Vögel steht freundlich über ihm wie eine reine, klare Aura. Mit mildem Spott sieht der Künstler auf das unaufhörliche, seichte Plätschern auf der Weltbühne. Der Wasserstrahl rinnt auf einem Kopf, der halb angriffslustiger Stier, halb weinseliger Satyr ist. Und aus der Kulisse strampelt eine lächerliche wacklige Witzfigur hervor.

Lebenslang beschäftigten ihn einige Themen, stellt Florian Lettl in seiner über die Jahrzehnte ausgreifenden Vernissagerede dar. Mann und Frau hat er eng umschlungen, aneinander gefesselt oder in goldenen Käfigen gemalt. Jetzt hat das Paar „Die Stufen der Nähe" erklommen, jeder seine Treppe, die oben zusammenführen. Im Hintergrund stürmt ein Pferd heran, kann die Reise nun auf eine andere, energiegeladene Weise weitergehen?

Allegro ma non troppo, heiter aber nicht zu sehr, blickt der betagte Maler die Welt an. Es gibt da ein wuchtiges, rotes Schiff, das sichtbarauf Grund gelaufen ist. Seine Passagiere sind alles andere als erfreut, sie ballen die Faust, recken die Arme, wehren das Unvermeidliche ab, ohne dass der Aktionismus ihnen etwas nützte. Andererseits fliegt da einer ganz locker im weißen Hemd durch die Lüfte.

Das sei „der Wunschtraum von Freiheit", sagt Lettl selbst, also die verpasste Chance. Eine „schonungslose Alters- wahrhaftigkeit" bescheinigte ihm IHK-Präsident Hannelore Leimer. Die Zusammenhänge würden manchmal erst dadurch deutlich, dass sie verrückt werden. Dieter Münker, der Vorsitzende des Lettl-Vereins, wollte das Wort Finale nicht zu ernst nehmen, „er hat schon einmal angekündigt, mit dem Malen aufhören zu wollen und dann erst richtig losgelegt", sagte er.

Das hoffnungsvolle Gegenteil zu den „Gestrandeten" bildet eine Kreuzigungsszene: Christus neigt sich einer seltsamen Gruppe zu. Es sind menschliche, tierische und technische Elemente, bunt zusammengewürfelt, in einer vorwärts strebenden Richtung. Das ganze Chaos dieser Welt eben, das die Evolution aus sich entließ. Hat es ein Ziel? Wolfgang Lettl kann nur eines erkennen: den Heiland.