Wolfgang Lettl
„Deinen Schatten vergesse ich, dich aber nicht“

Rede von Florian Lettl
zur Ausstellungseröffnung am 15. Januar 2010

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Lettl-Freunde,

dass diese Ausstellung keine Retrospektive über das Lebenswerk von Wolfgang Lettl geworden ist, liegt daran, dass die Toskanische Säulenhalle für ein solches Vorhaben zu klein ist. Immerhin ist dies nach 1988, 1992 und 2000 inzwischen die vierte Einzelausstellung mit Bildern meines Vaters in dieser herrlichen Halle.

Die Bilder der Zeughausausstellungen von 1988 und 1992 sind seit 1993 im Lettl-Museum in der IHK in Augsburg untergebracht.

Bilder der Ausstellung aus dem Jahr 2000, hängen seit 2002 in der IHK in Lindau.

Und jetzt darf ich anlässlich der Gedächtnisausstellung zu seinem 90. Geburtstag nochmals die ganze Säulenhalle mit 110 Bildern neuen Bildern füllen, Bilder aus einer letzten Schaffensphase, den neun letzten Jahren seines Lebens, die ich „Die Geschenkten Jahre“ bezeichnen möchte. Geschenkt deshalb, weil, wie viele von Ihnen wissen, der Lebensplan meines Vaters eigentlich schon mit 80 Jahren endete.

Was dann im Frühjahr 1999 in seinem 80 Lebensjahr geschah, schilderte er auf seine ihm eigene Weise in einem Interview so:

"Eigentlich sollte ich sterben und war schon vor den Toren der Ewigkeit angelangt, aber da waren so viele Leute in schönen schwarzen Anzügen mit Orden an der Brust, andere mit der Bestätigung über die Bezahlung ihrer Kirchensteuer und mit Spendenquittungen, die alle versucht haben Halleluja zu singen. Da sagte ich mir, da will ich jetzt nicht anstehen. Da war meine Frau, die dagegen war, mein Sohn hatte schon wieder Termine für mich. Dann habe ich den Wachhabenden um Aufschub gebeten. Der Wachhabende hat nach dem Grund gefragt und ich habe gesagt: Liebe. Liebe zu meiner Familie, zu meiner Arbeit, zum Leben. Und er hatte ein Einsehen und die Kunst der Ärzte kam dazu."

Bedingt durch eine schwere Krankheit, welche die körperlichen Fähigkeiten, vor allem seine Mobilität, stark eingrenzte, legte mein Vater in diesen letzten Jahren seines Lebens seine ganze Kraft nochmals in sein künstlerisches Werk. Er sah es ganz pragmatisch so:
"Wenn ich schon nicht mehr in die Welt hinaus kann, dann muss ich mir eben in meiner Phantasie, in meinen Bildern, die Welt zu mir holen."

Beim Betrachten der Bilder aus diesen „Geschenkten Jahren“ kann man sicherlich in dem einen oder anderen Reflexionen über ein bevorstehendes Ende entdecken, aber man findet auch Bilder, die eine so jugendliche, frische Phantasie widerspiegeln, die schwerlich einen über 80-jährigen vermuten lassen. Vielleicht liegt es aber auch daran, weil mein Vater und ich in diesen Jahren so intensiv zusammengearbeitet und zusammengelebt haben, dass in die Bilder auch ein wenig Herzblut von meiner Seite her mit eingeflossen ist.

Erlauben Sie mir noch einige Hinweise zur Ausstellung:

Ich habe versucht die Bilder dieser Ausstellung so anzuordnen, dass jede der 16 Kojen ein geschlossenes Bild abgibt, andererseits die chronologische Reihenfolge der Entstehung der Bilder einigermaßen berücksichtigt wurde.

Das etwa einstündigen Video, das während der Ausstellung im Untergeschoss zu sehen sein wird, habe ich aus meinem Filmmaterial zusammengestellt. Seine Inhaltsschwerpunkte sind:

1. Lebenslauf
2. Wie ein Bild entsteht
3. Ein Interview mit Wolfgang Lettl von Schülern.

Für Kinder und Schulklassen liegt ein für diese Ausstellung zusammengestelltes Bilder-Suchspiel bereit.

Neben den Führungen werden an drei Abenden Lesungen aus Texten von Wolfgang Lettl angeboten.

Am 26.01. liest Prof. Bernhard Möller den Reisebericht „Pintepios“ in dem es um Wolfgang Lettls Theorie zur Entstehung der verschiedenen Kunstrichtungen geht.

Am 09.02. liest Helmer Haaks aus Wolfgang Lettls Eigenbericht: „Ein Maler, sich selbst im Nebel suchend“,

und zum Abschluss am 23.02. geht es um den Künstler W. H. Sweet – Ein Text indem es um eine Begegnung von Moderner Kunst und moderner Mathematik geht, was fatale Folgen mit sich bringt.
Es liest noch einmal Prof. Bernhard Möller, der an der Uni Augsburg am Lehrstuhl für praktische Informatik lehrt.

An weiteren drei Abenden zeige ich meine, mit meinem Vater gedrehten, surrealen Filme.

Und für alle diejenigen die auch gerne ein wenig von dieser Ausstellung mit nach Hause nehmen wollen, habe ich den inzwischen dritten Katalog mit surrealen Werken meines Vaters herausgegeben. In dem Ausstellungskatalog sind zum einen alle 110 in dieser Ausstellung gezeigten Bilder zu sehen, zum anderen habe ich neben die Bilder die Reden gestellt, die mein Vater in dieser Zeit gehalten hat.

Da er im Gegensatz zu früheren Jahren in seinen Ausführungen auch öfter über seine Bilder nachdachte, habe ich diese Texte als Audioführer für diese Ausstellung zusammenstellen können. Ich empfehle Ihnen sich diese Audiodateien von der Lettl-Homepage aus dem Internet herunter zu laden, um sie dann vor den Bildern anzuhören. Die Zahlenangaben an den Namensschildern verweisen auf die entsprechenden Texte. Für technisch nicht ganz so Versierte, stehen einige Audiogeräte zur Verfügung.

Da ich aus der Erfahrung der früheren Ausstellung in dieser Säulenhalle weiß, dass viele Besucher öfter, einige davon manchmal nur auf einen kurzen Sprung in ihrer Mittagspause hier herkommen, um den Bilder zu begegnen, und vor allem, da dies eine Geburtstagsausstellung ist, wurde meinem Wunsch entsprochen, dass die Ausstellung und die Sonderveranstaltungen bei freiem Eintritt besucht werden können.

"Deinen Schatten vergesse ich, dich aber nicht.", habe ich als Motto für die Gedächtnisausstellung zum 90.Geburtstag meines Vaters gewählt. Es ist wenigen Menschen vergönnt ihrer Nachwelt ein so umfangreiches, vielfältiges und schönes Lebenswerk zu hinterlassen. Meinem Vater war immer klar, dass es nicht unbedingt seine Aufgabe als Maler war, berühmt zu werden, sondern sein Ziel war möglichst viele gute Bilder zu malen, denn erst wenn diese Bilder gemalt sind, kann sich die Welt ein Urteil darüber bilden und sich fragen, ob diese Bilder es wert sind, gezeigt und gesehen zu werden.

Und so hoffe ich dass diese Ausstellung ein Beitrag leistet, dass das Werk meines Vaters nicht in Vergessenheit gerät, sondern immer wieder Betrachter findet, die sich über die Bilder und Texte freuen und durch sie zum Nachdenken angeregt werden.

Den Bildern wird es gefallen und hoffentlich auch den Besuchern, die ihr Weg in den kommenden sechs Wochen hier her führen wird.