Die Begegnung
        
  Zunächst: wie komme ich auf die Idee, eine Brücke völlig sinnlos in der Mitte zu teilen und die zwei
    Hälften gegeneinander versetzt, zudem mitten im Wasser aufzustellen, so daß die Leute (wie sie wohl
    dahin gekommen sind?) nicht zueinanderkommen können?  
    Steht da eine Bedeutung dahinter? 
     
      
     
    Die Begegnung, 1985 
    Ich gehe nie von dem aus, was ein Bild aussagen sollte, sondern nur von formalen Vorstellungen. Brücken waren
    mir immer beliebte Motive und Wasser habe ich auch gerne gemalt, und wenn mich die Verbindung zum festen Boden,
    einer Uferstraße etwa gestört hat, habe ich sie einfach weggelassen und die Brücke in ihrer ganzen
    majestätischen Form mitten im Wasser sich spiegeln lassen. Bei einem Versuch zu einer solchen Komposition kam
    mir der Einfall zu der oben geschilderten Gestaltung und ich denke, daß mir das Bild gelungen ist. 
     
     Ich glaube erfahren zu haben, daß jedes Bild seine eigene Gesetzmäsigkeit erfüllen muß und
    daß diese Gesetzmäßigkeit mit unserer vordergründigen Erfahrung noch ganz unsinnig sein kann,
    daß sich aber häufig bei längerer Auseinandersetzung und Hinterfragung, beim Malen etwa, ein
    tieferer hintergründiger Sinn zeigt. Dann wird aus der Brücke, die eigentlich der Begegnung zweier Ufer
    dienen sollte ein Gleichnis dafür, daß eine Begegnung auch nicht stattfinden kann, aus menschlichem
    Versagen etwa, weil die Fundamente verkehrt liegen. 
     
     Unseren Technikern passieren solche Pannen nie, oder doch so selten, daß ich mich an keinen solchen oder
    ähnlichen Fall erinnern kann. In mitmenschlichen Beziehungen dagegen sind die Pannen wohl häufiger als
    das Gelingen der Beziehungen zueinander. Nicht nur zwischen Einzelnen sondern zwischen ethnischen Gruppen,
    Denksystemen, Weltanschauungen und Konfessionen. Und diesen Pannen ist so schwer oder gar nicht beizukommen, weil
    schon die Fundamente verkehrt geplant waren.  
     
Mit freundlichen Güßen 
Ihr Wolfgang Lettl
  
    Anmerkungen der Redaktion:
  - Es will der Zufall, daß Paul Rieger über
    dieses Bild eine Ansprache gehalten hat mit der    Überschrift:
    
     "Die Seele in den Himmel werfen"  
    
  
     
     - Eine Abbildung dieses Bildes finden Sie im Schulbuch: Ethik 12/13 Band 2, Handeln und    Verantworten, S. 19 unter
    der Überschrift: "Was heißt einander verstehen?" 
      Konkordiaverlag 1999  
     
    - Natürlich ist das Bild im Museumskatalog enthalten.  
      Desweiteren gibt es das Motiv als Postkarte, Doppelpostkarte  
      sowie als Poster in der Größe ca. 20x 30 cm und 40x60 cm.
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